Dieser Artikel stellt das zweite Strafverfahren wegen Volksverhetzung gegen KuchenTV dar. KuchenFiles zeigt in diesem Artikel erstmals das Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Rostock aus dem Januar 2024, über das KuchenTV bislang öffentlich nicht sprechen wollte.
Das Video
Die für das Strafverfahren gegenständlichen Aussagen tätigte KuchenTV in seinem am 10. November 2017 veröffentlichten und inzwischen gelöschten Video „Schülerin zeigt Mitschüler wegen schwarzen Humor an – Kuchen Talks #254“ auf seinem YouTube Hauptkanal.
In dem Video griff KuchenTV eine Schülerin aus Dresden scharf an, die ihre Mitschüler*innen angezeigt hatte, nachdem diese rechtsextreme Inhalte in ihrem Klassenchat auf Whatsapp verbreitet hatten.
KuchenTV sagte in dem Video, die Schülerin habe eine „Humorbehinderung“ und sei „in ihrer Entwicklung zurückgeblieben“, nachdem sie die antisemitischen „Witze“ ihrer Mitschüler*innen nicht tatenlos hingenommen, sich kritisch dazu geäußert und einen ihrer Mitschüler wegen Volksverhetzung angezeigt hatte. Für ihr couragiertes Handeln erhielt die Schülerin am 7. November 2017 vom „Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ den auf 2.000 Euro dotierten „Preis für Zivilcourage“. Kurz nach der Preisverleihung wurde das Foto der damals 15-Jährigen von Rechtsextremen zusammen mit Hasskommentaren verbreitet und teilweise mit Morddrohungen versehen. Zu dieser Zeit veröffentlichte auch KuchenTV das Video, in dem er sie angriff und beleidigte. Das Video erreichte mehr als 400.000 Aufrufe.
In seinem Video, in dem er das Foto der Schülerin unkenntlich gemacht hatte, nannte er ihre Auszeichnung ein „Armutszeugnis“, bezeichnete die Schülerin als „Petze“ und ihr Engagement als „lappenhaft“. KuchenTV forderte die Mitschüler*innen der betroffenen Schülerin dazu auf, ihm zu schreiben, wie sie zukünftig mit ihr umgehen werden. Er sagte:
„Mitschüler anzuzeigen, weil man eine andere Art von Humor hat, ist schon relativ hart. Und dass man dann nicht wirklich Lust hat, mit der Person irgendwas zu tun zu haben, wäre für mich ebenfalls verständlich.“
Er blendete ein Bild einer geballten Faust mit einem Mädchen im Hintergrund ein, während er sagte:
„Wenn ich mal an meine alte Klasse zurückdenke, wäre die Person wahrscheinlich zum größten Außenseiter der Welt geworden und hätte mit Anfeindungen rechnen müssen und wäre nicht mehr glücklich geworden. Und das ist jetzt kein Witz oder sowas, sondern wirklich mal Realtalk.“
KuchenTV stellte Mobbing und Anfeindungen gegen Schüler*innen, die antisemitische „Witze“ kritisieren und Mitschüler*innen wegen Volksverhetzung anzeigen, als erwartbare Konsequenz dar, ohne dies zu kritisieren.
Ähnlich reagierte der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner auf die Auszeichnung des Mädchens. Auf Twitter schrieb er an dem Tag, an dem KuchenTV sein Video veröffentlicht hatte:
Über die Verbreitung rechtsextremer Inhalte und „Witze“ durch die Schüler*innen sagte KuchenTV:
„Lass sie doch einfach machen, solange damit keiner angegriffen oder verletzt wird!“
Wie schon bei seiner ersten Verurteilung wegen Volksverhetzung, zeigte sich KuchenTV auch in diesem Video überzeugt davon, dass das Motiv einer Aussage für die Beurteilung entscheidend sei, ob Volksverhetzung vorliege. Sofern „keine böse oder rassistische Absicht“ vorhanden ist, sah KuchenTV kein Hindernis für derartige „Witze“.
Fact Check
Im deutschen Strafgesetzbuch ist Volksverhetzung unter § 130 geregelt. Die Strafnorm sieht keine Ausnahmen für bestimmte Tatmotive vor und schließt volksverhetzende „Witze“ nicht aus.
Die Aussagen
Aussage 1 / Beleidigung
In dem Strafverfahren wegen Volksverhetzung ging es unter anderem um eine Beleidigung, die KuchenTV in Richtung der Schülerin getätigt hatte. In seinem Video, das er am 10. November 2017 veröffentlicht hatte, sagte er:
„Eine 15-Jährige Schülerin aus Dresden hat ihre Mitschüler angezeigt, weil sie eine starke Humorbehinderung hat. Da sich die Zeiten leider geändert haben, wurde sie nicht aus der Polizeistation mit einem höflichen [F-Wort] hinausbegleitet, sondern direkt mit einem Preis geehrt dafür, dass sie ihre Klassenkameraden verpfiffen hat.“ KuchenTV
Aussage 2 / Volksverhetzung
Die Aussagen, die gegenständlich für das Strafverfahren wegen Volksverhetzung waren, hatte KuchenTV im gleichen Video geäußert:
„Das Ganze ging dann weiter, als sie sich wohl in der Whatsapp Gruppe darüber aufgeregt hat, nachdem ein Schüler ein Bild mit einer Rauchwolke gepostet hatte mit der Überschrift ‚jüdisches Familienfoto‘, der ist echt gar nicht mal so schlecht, das muss man sagen.“
Während dieser Aussage lachte KuchenTV.
Aussage 3 / Volksverhetzung
Die dritte Aussage aus diesem Video, die gegenständlich für das Strafverfahren war, lautete:
„Übrigens spendet sie 500 Euro an einen jüdischen Jungen, der ebenfalls Anfeindungen wegen seiner Religion erfahren hat. Ratet mal, von wem? ‚Muslimische Jungs schlagen jüdischen Schüler.‘ Boa, zum Glück waren’s keine deutschen Christen. Solange es Muslime sind, ist es natürlich okay. Ich hab zwar nichts gegen Juden, aber die haben im muslimischen Glauben halt nichts zu suchen, das ist Religionsfreiheit, wenn ich den boxe.„
Der Strafbefehl
Das Amtsgericht Rostock erließ wegen dieser Aussagen am 22. Februar 2018 Strafbefehl gegen KuchenTV in zwei tateinheitlichen Fällen wegen Volksverhetzung und in einem weiteren tateinheitlichen Fall wegen Beleidigung. Laut KuchenTV enthielt der Strafbefehl eine Geldstrafe in Höhe von etwa 5.000 Euro.
Erste Instanz
Das Urteil
Nachdem KuchenTV Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, bestätigte das Amtsgericht Rostock mit seinem Urteil vom 7. Juni 2018 die im Strafbefehl vorgeworfenen Straftaten und verurteilte KuchenTV zu einer Geldstrafe in Höhe von 160 Tagessätzen zu je 200 Euro, also insgesamt 32.000 Euro.
Das Gericht verurteilte KuchenTV wegen Volksverhetzung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen nach § 130 Abs. 2 Nr. 1c StGB und § 130 Abs. 3 StGB (Variante 3: Verharmlosung) sowie in weiterer Tateinheit in einem Fall wegen Beleidigung nach § 185 StGB.
Das sind die in diesem Urteil angewandten Strafnormen des Deutschen Strafgesetzbuches:
Volksverhetzung: § 130 Abs. 2 Nr. 1c StGB
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden„
Volksverhetzung: § 130 Abs. 3 StGB (Variante 3: Verharmlosung)
„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.„
Beleidigung: § 185 StGB
„Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Die Reaktion
Inhaltswarnung: Transfeindlichkeit
In seinem Video vom 13. Juni 2018 nahm KuchenTV Stellung zu diesem Urteil. Die Verurteilung wegen Beleidigung erkannte KuchenTV in diesem Video zwar an, jedoch versuchte er seine Aussage zu verharmlosen. So sei die Bezeichnung der Schülerin als „[F-Wort]“ nicht als Beleidigung beabsichtigt gewesen, sondern eine „künstlerische Anspielung“ auf den Influencer JuliensBlog.
JuliensBlog ist ein Influencer, der mit Hassinhalten und seinem Format „Rapanalyse“ auf YouTube erfolgreich war. Frauen bezeichnete er in seinen Videos häufig mit schwer misogynen Beleidigungen und sexualisierte sie. Er rief ironisierend zu Gewalt gegen Frauen auf und bezeichnete Männer, die er abwerten wollte mit homofeindlichen und transfeindlichen Beleidigungen. JuliensBlog sagte in seinen Videos Dinge wie:
„Ich hab nichts gegen [T-Slur], ich will nur nicht, dass die existieren.“
KuchenTV bezeichnete den Influencer in seinem Video vom 13. Juni 2018 als „Künstler“, dem er mit der Beleidigung der Schülerin als „[F-Wort]“ eine „Hommage“ habe widmen wollen.
KuchenTV kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Die Ursache für die Verurteilung beschrieb KuchenTV mit der Aussage:
„Da hat mich aber wohl einer nur unfassbar gehasst, einfach nur, weil ich nicht hinter Emilia [der betroffenen Schülerin] stand, sondern das Ganze kritisiert habe.“
Zweite Instanz
Das Urteil
KuchenTV ging gegen das Urteil des Amtsgerichts Rostock in Berufung. Das Berufungsurteil des Landgerichts Rostock vom 22. März 2021 bestätigte das Urteil des Amtsgerichts Rostock weitgehend.
Das Urteil der Vorinstanz wurde insofern korrigiert, als die Geldstrafe auf 130 Tagessätze zu je 200 Euro, also auf insgesamt 26.000 Euro verringert wurde und die Verurteilung wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 von „Variante 3: Verharmlosung“ auf „Variante 1: Billigung“ geändert wurde.
KuchenTVs Verturteilung wegen Volksverhetzung und Beleidigung wurde durch dieses Berufungsurteil bestätigt.
Die Reaktion
In einem Video auf seinem YouTube Kanal bezog KuchenTV am 9. Juli 2021 Stellung zu dem Urteil. Er sagte, dass er die Verurteilung wegen Beleidigung akzeptiere, jedoch rechtfertigte er diese erneut als „Hommage“ an den Influencer JuliensBlog, die „lustig“ sein sollte.
KuchenTV kritisierte, dass das Gericht die Ironie in Aussage 3 nicht erkannt habe. Er sagte, er habe diese ironisch getätigt. Die Motivation für seine Aussage beschrieb KuchenTV so:
„Und zwar gab es zu dieser Zeit immer mal wieder Angriffe von Muslimen auf Juden. Ich hatte damals das Gefühl, dass das von der Politik so ein bisschen runtergespielt wird und deshalb hab ich damals folgendes gesagt.“
Dann zitierte KuchenTV erst die Schlagzeile „Muslimische Jungs schlagen jüdischen Schüler“, auf die er sich bezog und zitierte dann sich selbst:
„Boa, zum Glück waren’s keine deutschen Christen. Solange es Muslime sind, ist es natürlich okay. Ich hab zwar nichts gegen Juden, aber, die haben im muslimischen Glauben halt nichts zu suchen, das ist Religionsfreiheit, wenn ich den boxe.“
KuchenTV stellte bei seiner Einordnung dieser Aussage klar, dass er sie aus der Perspektive eines muslimischen Schülers getätigt habe. Er habe darstellen wollen, dass Gewalt muslimischer Menschen gegen jüdische Menschen in Deutschland mit Religionsfreiheit gerechtfertigt und als „natürlich okay“ betrachtet werde. KuchenTV hat weder in dem für das Strafverfahren gegenständlichen Video noch in seiner Stellungnahme zu dem Urteil dargelegt, auf welche empirischen Befunde er seine Darstellung stützt. Er nannte sein „Gefühl“ als Ausgangspunkt seiner Aussage.
Gemäß KuchenTVs Darstellung sei seine Aussage nicht als eine Billigung von Gewalt gegen jüdische Menschen zu verstehen. Die Aussage richtete sich demnach gegen Menschen muslimischen Glaubens und popularisierte die auf Islamfeindlichkeit zielende, radikal rechte Verschwörungstheorie, in Deutschland werde Gewalt gegen jüdische Menschen toleriert, sofern sie von Muslimen ausginge.
KuchenTV fragte in seinem Video „Worüber verhandeln wir eigentlich noch?“ nachdem er darauf hinwies, dass sich im Laufe des langen Verfahrens „so viel verändert“ und er heute eine „Familie mit Kind“ habe.
Abschließend kündigte er Revision gegen das Urteil an:
„Aber ich werde weiter dagegen vorgehen. Wir haben jetzt Revision eingelegt. Und ich werde das Ganze von mir aus bis zum Bundesverfassungsgericht klagen. Das ist mir vollkommen egal. Ich werde dieses Urteil einfach nicht hinnehmen, weil ich das einfach nicht akzeptiere.„
Im Vorfeld des anstehenden Revisionsprozesses vor dem Oberlandesgericht Rostock gab sich KuchenTV siegesgewiss. Zu der Verteilung wegen Volksverhetzung sagte er am 9. Juni 2023:
„Bei der Thematik mit der Volksverhetzung sieht es derzeit auch so aus, als ob ich da auf lange Zeit auf jeden Fall freigesprochen werde.“
Am 17. Juli 2023 schrieb er auf Twitter zu den Erfolgsaussichten seiner Revision, dass das Verfahren „zu 99% eingestellt“ werde.
Einen Monat später äußerte er sich ähnlich auf seinem YouTube Kanal:
„Außerdem ist die Verurteilung auch noch nicht rechtskräftig, denn wir sind momentan in Berufung, wo es auch by the way so aussieht, als wenn ich da gewinne.“
Dritte Instanz
Das Urteil
Mit seinem Urteil vom 24. Januar 2024 bestätigte das Oberlandesgericht Rostock die Verurteilung KuchenTVs wegen Volksverhetzung in zwei tateinheitlichen Fällen und die zu dieser Tat erlassene Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 200 Euro, also insgesamt 20.000 Euro.
Hinsichtlich des Tatvorwurfs der Beleidigung stellte das Gericht einen Formfehler fest:
„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beleidigung ist zwar materiell – rechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen den Schuldspruch. Gleichwohl konnte die diesbezügliche Verurteilung keinen Bestand haben, weil der gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderliche Strafantrag nicht form- und fristgerecht gestellt wurde und eine wirksame Nachholung des Strafantrags nicht mehr möglich ist, was ein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis darstellt.“
Die Verurteilung wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 wurde von „Variante 1: Billigung“ auf „Variante 3: Verharmlosung“ korrigiert. Aufgrund der von KuchenTV beantragten Revision ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Die Reaktion
Während KuchenTV über beide Urteile der Vorinstanzen noch ausführlich auf seinem YouTube Hauptkanal berichtete, thematisierte er das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock bislang gar nicht, obwohl es ihm zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels bereits 8 Monate lang vorlag.
In einem Livestream im April 2024, also drei Monate nach Ergehen des Urteils, teilte er in einer Randbemerkung in seinem Livestreams mit, dass er das Verfahren vor das Bundesverfassungsgericht ziehen müsse und dass sich hieraus Kosten in Höhe von 20.000 Euro ergeben hätten. Darüber hinaus äußerte sich KuchenTV nicht zu dem Urteil.
Der Verzicht auf die öffentliche Thematisierung des Urteils könnte in den gezeigten siegesgewissen Ankündigungen KuchenTVs vor dem Prozesstermin begründet liegen, welche durch das Urteil widerlegt wurden. Denkbar ist auch, dass KuchenTV die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts als unvorteilhaft für seine Selbstdarstellung als Influencer empfunden haben könnte und er das Urteil deshalb nicht öffentlich zeigen oder besprechen wollte.
Die Urteilsbegründung
Da das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock auf der Website des Justizministeriums Mecklenburg-Vorpommern unter dem Aktenzeichen 1 Ss 52/21 einsehbar ist, wird KuchenFiles in diesem Kapitel aus der Begründung des Urteils zitieren. (Hervorhebungen durch KuchenFiles)
Angriff gegen die Menschenwürde jüdischer Menschen
Zur Verurteilung der Aussage „Gar nicht mal so schlecht“ und zu KuchenTVs gleichzeitigem Lachen über den antisemitischen Witz schreibt das Gericht in Absatz 42 der Urteilsbegründung:
„Durch das in dem Video zwar nicht gezeigte, aber hinreichend beschriebene Foto mit dem Text ‚Jüdisches Familienfoto‘ im Zusammenwirken mit seinem dazu abgegebenen Kommentar und seiner Gefühlsregung sowie im Kontext mit den weiter festgestellten Statements greift der Angeklagte die Würde von Menschen jüdischen Glaubens dergestalt an, dass sie böswillig verächtlich gemacht i.S.d. § 130 Abs. 2 Nr. 1c, Abs. 1 Nr. 1 StGB werden.“
In Absatz 46 stellte das Gericht Tathandlung und Taterfolg fest:
„Die inkriminierte Tathandlung des Angeklagten verursacht als Taterfolg einen Angriff auf die Menschenwürde anderer, die den Staat zum Einschreiten mit den Mitteln des Strafrechts berechtigt und verpflichtet.“
In Absatz 53 der Urteilsbegründung heißt es weiter:
„Zu Recht hat das Landgericht aus dem festgestellten Sachverhalt den Schluss gezogen, der Angeklagte habe mit seiner Publikation die Herabwürdigung und Kränkung von Menschen jüdischen Glaubens im Kernbereich ihrer Persönlichkeit wenigstens billigend in Kauf genommen.“
Gericht debunkt KuchenTV
Die Urteilsbegründung widerlegt das falsche Rechtsverständnis KuchenTVs. Er rechtfertigte seine für das Strafverfahren gegenständlichen Aussagen häufig mit der Darstellung, es könne sich dabei nicht um Volksverhetzung handeln, weil es sich nur um „Witze“ gehandelt habe und weil das Motiv für diese „Witze“ nicht Volksverhetzung gewesen sei.
Das Gericht schreibt zu diesem Argument in Absatz 39:
„Dabei ist weder die subjektive Absicht des Äußernden noch das subjektive Verständnis der Äußerungsempfänger maßgebend, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Auszugehen ist stets vom Wortlaut der Äußerung.“
Das Gericht schreibt weiter in Absatz 40:
„Zur Erfassung ihres objektiven Sinngehalts muss eine Äußerung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden.„
Schwarzer Humor vs. geistige Brandstiftung
Zu KuchenTVs Rechtfertigung, seine Aussagen seien als „schwarzer Humor“ gerechtfertigt, schreibt das Oberlandesgericht in seiner Begründung in Absatz 48:
„Über diesen ‚Witz‘ nebst seiner Beschreibung im Kontext der konkreten Verwendung zu berichten stand dem Angeklagten zwar frei. Er überschreitet jedoch die – von ihm angeblich nur beabsichtigte – Berichtsebene, kann sein offensichtliches Amüsement nicht verbergen (kurzes ‚Glucksen‘) und kommentiert den ‚Witz‘ bewusst, unmissverständlich und beifällig zustimmend (‚Der ist gar nicht mal so schlecht, das muss man sagen‘). Durch dieses Verhalten bringt der Angeklagte zum Ausdruck, dass ihn das Leid, das die dunkelsten Stunden der verheerendsten Epoche deutscher Geschichte über Millionen von Menschen gebracht haben und über ihre Nachfahren und die Überlebenden des Holocaust nach wie vor bringen, nicht im geringsten berührt, sondern im Gegenteil amüsiert. Damit spricht er gleichzeitig den Opfern, ihren Nachkommen, den Überlebenden des Holocaust, letztlich auch jedem Menschen jüdischen Glaubens das Recht ab, eingebunden in die staatliche Gemeinschaft in ihrem Andenken und mit ihrem Leid ernst genommen, mit Respekt und Anteilnahme (menschen)würdig behandelt und nicht mit (angeblichem) ’schwarzem Humor‘ überzogen zu werden.„
In Absatz 51 schlussfolgert das Gericht:
„Nach alledem sind die Ausführungen des Angeklagten nicht als von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Darstellungen „schwarzen Humors“ zu verstehen, sondern als eine Form ‚geistiger Brandstiftung‘ anzusehen, die bei verständiger Betrachtung einem großen Publikum gegenüber zum Ausdruck bringen, Menschen jüdischen Glaubens seien in der Wahrung und dem Schutz ihrer Rechte minderwertig.“
Insgesamt Hass
Über das für das Strafverfahren gegenständliche Video schreibt das Oberlandesgericht in Absatz 71:
„Seine Publikation legitimiert Angriffe auf jüdische Menschen, schürt ein Klima der Verrohung und Abwertung bestimmter Personen, setzt Hemmschwellen herab, wodurch rechtsgutgefährdende Folgen, z.B. in Form von Übergriffen unmittelbar ausgelöst werden können und verbreitet damit insgesamt Hass, der letztlich sogar tödlich enden kann.“
KuchenTVs Vorstrafe wegen Volksverhetzung
In Absatz 74 stellt das Gericht fest, dass die strafverschärfende Berücksichtigung der Vorstrafe KuchenTVs, aus seiner ersten rechtskräftigen Verurteilung wegen Volksverhetzung, rechtlich nicht zu beanstanden ist.
„Die vom Landgericht verhängte Einzelstrafe (100 Tagessätze) für den verbleibenden Vorwurf der Volksverhetzung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen unterliegt rechtlichen Bedenken nicht. Es ist insoweit auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht gem. § 46 Abs. 2 StGB insbesondere die Vorstrafe des Angeklagten und die weite Verbreitung des Videos strafschärfend berücksichtigt hat.“
Rechtfertigung & Verharmlosung
„Ich habe nur zu einem Witz gesagt …“
KuchenTV verfolgte bislang mehrere Strategien zur Verharmlosung seiner Tat. In seinen Videos nutze er bislang häufig die irreführend Umschreibung:
„Ich habe nur zu einem Witz gesagt, ‚Der ist gar nicht mal so schlecht‘.“
In den meisten Fällen, in denen er diese Umschreibung nutzte, fügte KuchenTV nicht hinzu, dass sich seine Aussage auf eine antisemitische Darstellung bezog, in der das Leid der 6 Millionen jüdischen Opfer des Holocaust verspottet wurde.
Gerade bei Zuschauer*innen, welche die Details des Strafverfahrens gegen KuchenTV nicht kennen, kann KuchenTVs verkürzte Darstellung den falschen Eindruck erzeugen, er hätte sich mit seiner Aussage auf einen beliebigen Witz bezogen und er sei allein schon deshalb grundlos wegen Volksverhetzung verurteilt worden.
In allen Stellungnahmen zu dieser Tat ließ KuchenTV die Information weg, dass er in seinem Video während dieser Aussage lachte. Stattdessen versuchte er, seine Reaktion auf den antisemitischen Witz nachträglich umzudeuten. Die Bewertung „gar nicht mal so schlecht“ sei laut KuchenTV so zu verstehen gewesen, dass er den „Witz“ als „schlecht“ bewerte. Diese Darstellung widerspricht KuchenTVs lachender Reaktion auf den „Witz“.
Häufig unterstellte KuchenTV dem Gericht, es habe den Zusammenhang nicht berücksichtigt, in dem er seine Aussagen getätigt hat. Das Oberlandesgericht Rostock stellte jedoch in seiner Urteilsbegründung ausführlich dar, was der Gesamtzusammenhang war und wie er berücksichtigt wurde.
Fehlendes Rechtsverständnis und das Motiv als falscher Maßstab
Eine weitere Strategie zur Verharmlosung der Tat verfolgte KuchenTV mit dem Versuch, Volksverhetzung als eine Straftat darzustellen, das nur mit Rechtsextremen assoziiert sei, die „gegen Ausländer hetzen“ oder „den Holocaust leugnen“. Antisemitische „Witze“, wie der, den KuchenTV selbst als „gar nicht mal so schlecht“ befand und über den er lachte, sind bei Rechtsextremen beliebt. KuchenTV beschreibt sich selbst als „politisch ungebildet“ und politisch uninteressiert. Es ist möglich, dass ihm diese Zusammenhänge nicht bewusst sind.
Er ging außerdem davon aus, dass Aussagen nicht schädlich und entsprechend nicht strafbar sein können, wenn das Motiv der Aussage nicht Volksverhetzung sondern „Humor“ sei. Volksverhetzung könne laut KuchenTV nur vorliegen, wenn die fraglichen Aussagen ernst gemeint wären.
Fact Check
Der § 130 Volksverhetzung des deutschen Strafgesetzbuches sieht im Widerspruch zu KuchenTVs Darstellung keine Beschränkung auf bestimmte Täter*innengruppen wie „Rechtsextreme“ vor. Auch sieht § 130 keine Einschränkung auf bestimmte Tatmotive vor. Tatmotive wie „Ich wollte nur einen Witz machen“, werden im § 130 nicht ausgeschlossen.
Auch antisemitische „Witze“, wie jener, über den KuchenTV lachte und den er als „gar nicht mal so schlecht“ bewertete, sind dazu geeignet, den Holocaust zu verharmlosen und die Würde jüdischer Menschen zu verletzen.
Der krasseste Volksverhetzer ever?
In einem seiner Videos vom März 2023 sagte KuchenTV sarkastisch:
„Bro, ich bin wirklich der krasseste Volksverhetzer ever, weil ich bin gegen Rassismus und für Flüchtlinge. Wirklich schlimmer geht’s einfach gar nicht.“
KuchenFiles konnte keine Aussage identifizieren, mit der KuchenTV der Vorwurf gemacht wurde, „der krasseste Volksverhetzer ever“ oder ähnliches zu sein. Dem konstruierten Vorwurf stellte KuchenTV seine politischen Einstellungen „gegen Rassismus und für Flüchtlinge“ gegenüber, um den Vorwurf, er sei ein verurteilter Volksverhetzer, als übertrieben darzustellen.
Angstmache durch Irreführung
In einem Video vom 8. März 2023 sprach KuchenTV über seine vom Landgericht Rostock verhängte Geldstrafe in Höhe von 32.000 Euro:
„Aber inwiefern ist so eine hohe Strafe denn bitte gerechtfertigt? Stellt euch mal vor, wenn wirklich jeder Influencer, der irgendeinen Fehler macht und dafür angezeigt wird, eine Strafe bekommt, von 160 Tagessätzen, was sechs Monate Verdienst sind, ein halbes Jahr. Dann würden Influencer wahrscheinlich kaum noch irgendwas sagen.“
Fact Check
Durch das Weglassen von Informationen manipuliert KuchenTV die Wahrnehmung seiner Zuschauer*innen zu seinem Vorteil. Was KuchenTV in seiner Darstellung wegließ:
- Im Urteil des Amtsgerichts Rostock wurde KuchenTVs Vorstrafe wegen Volksverhetzung strafverschärfend berücksichtigt. Personen ohne Vorstrafen, die wegen vergleichbarer Äußerungen wegen Volksverhetzung verurteilt werden, erhalten keine Geldstrafe in der dargestellten Höhe.
- Die Geldstrafe, die KuchenTV zahlen sollte, ergab sich aus insgesamt drei Äußerungen in Tateinheit. In seinem manipulativen Beispiel sprach er von „irgendeinem Fehler“, also von einer Aussage.
- Würde eine Person sich mit einer Aussage wegen Volksverhetzung strafbar machen, würde die Person zunächst einen Strafbefehl erhalten. Strafbefehle ergehen in Deutschland auf der Grundlage sogenannter Geständnisfiktion. Bei der Festsetzung der Geldstrafe in einem Strafbefehl geht das Gericht davon aus, dass die Tat gestanden, also der Strafbefehl angenommen wird. Da sich Geständnisse strafmildernd auswirken, ist die Geldstrafe in einem Strafbefehl im Regelfall erheblich geringer als die Geldstrafe, die bei einer Verurteilung nach einem Einspruch gegen einen Strafbefehl verhängt würde. Laut KuchenTV lag die Geldstrafe in dem Strafbefehl, den er zu den in diesem Artikel besprochenen drei Aussagen erhalten hatte, bei ca. 5.000 Euro. Nach KuchenTVs Einspruch gegen den Strafbefehl verurteilte ihn das Amtsgericht Rostock zu einer Geldstrafe in Höhe von 32.000 Euro. Durch das fehlende Geständnis erhöhte sich KuchenTVs Geldstrafe also um mehr als das Sechsfache.
- KuchenTVs Aussagen, für die er in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 32.000 Euro verurteilt wurde, stehen nicht stellvertretend für durchschnittliche Aussagen, die „jeder Influencer“ tätigt. Die von KuchenTV dargestellte Folge, Influencer*innen würden „wahrscheinlich kaum noch irgendwas sagen“ ist unrealistisch.
- Er wählte die Beschreibung „nicht ganz so gut“ für Aussagen, wegen denen man laut seiner Darstellung eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen erhalten könnte, um seine Tat zu verharmlosen und die Gefahr, die er konstruierte, möglichst groß und willkürlich erscheinen zu lassen.
KuchenTV hat wichtige Informationen bewusst weggelassen, um den gewünschten Eindruck zu erzeugen, Influencer*innen seien wegen des Volksverhetzungsparagraphen permanent dem Risiko ausgesetzt, sehr hohe Geldstrafen aufgrund angeblich geringfügiger Fehler zu riskieren.
KuchenTVs Darstellung ist falsch, manipulativ und irreführend.
Der dämonisierte Staatsanwalt
KuchenTV war noch im November 2020 überzeugt davon, dass er mit Hilfe dieses Strafverfahrens „zerstört werden“ solle. Wer ihn zerstören wolle, konkretisierte KuchenTV zunächst nicht. In seinem Video vom 9. Juli 2021 sagte er jedoch über den zuständigen Staatsanwalt:
„Der hat nämlich komplett was gegen mich und kann mich wirklich überhaupt nicht leiden.“
Der Staatsanwalt trage laut KuchenTV „so viel Hass“ in sich und wolle ihm „so krass schaden“. In einem Video aus dem März 2023 sagte KuchenTV:
„Der Typ hat sich komplett auf mich eingeschossen. Das sagt jeder, der sich diesen Fall einmal angeguckt hat.“
Dass der Rostocker Staatsanwalt die Zuständigkeit übernommen hat, nachdem er sich mit den Staatsanwaltschaften der anderen Städte abgestimmt hatte, in denen Strafanzeigen zu diesem Fall eingegangen waren, bewertete KuchenTV als „sehr komisch“. Dabei unterstellte er dem zuständigen Staatsanwalt, er habe sich besonders darum bemüht, die Zuständigkeit zu übernehmen. Auch das sah KuchenTV als Beleg für seine schweren Vorwürfe gegenüber dem Staatsanwalt.
Seine Unterstellung, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft habe das bloße Ziel, ihm persönlich zu schaden, sah KuchenTV auch dadurch bewiesen, dass die Staatsanwaltschaft eine Bewährungsstrafe gegen ihn forderte und die von KuchenTV vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens gegen die Zahlung einer Geldauflage ablehnte.
Zensurgesetz
Seit seinem ersten Strafverfahren wegen Volksverhetzung bis in das Jahr 2018, sind Aussagen von KuchenTV bekannt, in denen er die Strafnorm gegen Volksverhetzung angriff.
Im Februar 2016 thematisierte KuchenTV die Verurteilung des Influencers JuliensBlog wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 15.000 Euro und zu 8 Monaten Freiheitsstrafe, die für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurde. Dieser hatte in einem Video über einen Streik der Lokführer*innengewerkschaft GDL gesagt:
„Vergasen sollte man die Mistviecher“
„Wisst ihr noch, wie die Juden mit Zügen nach Auschwitz transportiert wurden? Man sollte die Zugführer da hinbringen. Ich fahr den Zug, und zwar umsonst und ohne zu streiken.“
Diese Aussagen rechtfertigte KuchenTV, indem er sie als den „Stil“ der „Kunstfigur“ JuliensBlog darstellte und sagte:
„Ich finde aber, dass diese Aussage von Julien in keinem Fall eine Volksverhetzung war.“
„Er hat sich vor Gericht ja auch kaum einsichtig gezeigt und das meiner Meinung nach auch absolut zurecht, weil ich weiß auch nicht, was da jetzt so schlimm dran gewesen sein soll.“[sic!]
Deutschland sei laut KuchenTV „was sowas angeht, einfach eine riesen Pussy“. In einem Video aus dem gleichen Jahr sagte er über seinen ersten Strafbefehl wegen Volksverhetzung, dieser sei „ein Armutszeugnis gegen Deutschland“. Er äußerte, dass er „den Glauben an Deutschland“ verliere und dass es „viel schlimmere Dinge“ gebe, für die man wegen Volksverhetzung verurteilt werden könne.
Fact Check
Der Volksverhetzungsparagraph und das deutsche Strafrecht sehen keine Regelung vor, nach der eine Person nicht wegen einer Straftat verurteilt werden könne, sofern eine andere Person existieren würde, die innerhalb des gleichen Straftatbestandes eine schwerwiegendere Tat begangen hat.
KuchenTVs Verweis auf die Existenz „schlimmerer“ Taten, die ebenfalls unter Volksverhetzung fallen, ist für seine Verurteilung nicht relevant.
In seinem Video über eine der Strafanzeigen, die zu dem hier behandelten Strafverfahren führte, sagte KuchenTV am 10. November 2017:
„Generell verstehe ich Gesetze wie Volksverhetzung sowieso nicht. Sie sind einfach nicht zeitgemäß und Deutschland muss endlich aufhören, nur wegen der dunklen Vergangenheit so eine unfassbare Pussy zu sein. Gerade Absatz 3 des Paragraphen schränkt die Kunstfreiheit enorm ein und zwar genau dann, wenn es um den schwarzen Humor geht. Aber auch anderweitig sind Dinge wie die Holocaustleugnung nicht erlaubt. Warum?„
Fact Check
KuchenTV beruft sich zur Rechtfertigung antisemitischer „Witze“ häufig auf die Kunstfreiheit. Dieser Darstellung steht seine Aussage aus dem Juli 2024 entgegen. Zu dem Chat Kommentar „Ich glaube fast keiner ist öffentlich so, wie er privat ist.“ sagte KuchenTV:
„Ich schon, zu den meisten Teilen. Digga, ich bring genau die gleichen Jokes, die ich auch privat bringe. Mir ist das komplett egal.“[sic!]
In einem Video vom 27. Februar 2018 bezeichnete KuchenTV den Volksverhetzungsparagraphen als „Zensurgesetz“ und sagte:
„Da kann man halt auch nicht mal die Eier haben und sagen, ‚Ja vielleicht lassen wir mal weniger Flüchtlinge rein‘ oderso. Das ist einfach lächerlich in diesem Land.“
Fact Check
KuchenTV vermittelte seinen Zuschauer*innen den Eindruck, man könne diese Aussage wegen der Existenz des Volksverhetzungsparagraphen nicht ungestraft tätigen.
Die Aussage „Ja, vielleicht lassen wir mal weniger Flüchtlinge rein“ fällt nach dem deutschen Strafgesetz nicht unter Volksverhetzung.
KuchenTVs Darstellung ist falsch.
In einem Video auf seinem YouTube Kanal KuchenTV Uncut sagte er im Juni 2018 über einen anderen YouTube Kanal:
„Viele Witze sind leider auch da wieder Volksverhetzung, deswegen muss ich leider sagen, dass das überhaupt nicht geht und dass das unlustig ist, bevor ich angezeigt werde, denn der Staat entscheidet, was ich lustig finden darf.“
Fact Check
Die Strafnorm § 130 des deutschen Strafgesetzbuches regelt nicht, was Menschen individuell lustig finden dürfen.
KuchenTVs Darstellung ist falsch.
In einem Video vom 13. Juni 2018 bezeichnete KuchenTV die Strafnorm als „reine Zensur“ und sah infrage gestellt, ob in Deutschland „überhaupt noch sowas wie eine Meinungsfreiheit herrscht“.
Fortsetzung statt Einsicht
KuchenTV widersprach sich im Zeitraum 2016 bis 2023 häufig selbst bei der Bewertung seiner in diesem Strafprozess behandelten Taten.
Juni 2018
In den Jahren 2018 und 2021 sagte KuchenTV, dass er die Verurteilung wegen Beleidigung gegen die Schülerin anerkenne und als gerechtfertigt betrachte. Die Glaubwürdigkeit dieser Aussagen steht infrage, da er sie stets mit dem Hinweis versah, dass die Beleidigung nur eine künstlerische „Hommage“ an den Influencer JuliensBlog gewesen sei. In seinem Video vom 13. Juni 2018 sagte er:
„Hier muss ich leider zugeben, dass zumindest die Verurteilung im Bezug auf die Beleidigung leider richtig ist.“[sic!]
Juli 2021
In einem Video vom 9. Juli 2021 sagte KuchenTV über die Beleidigung der Schülerin mit dem F-Wort:
„Das Ganze sollte ’ne Hommage und lustig sein. Gut, der ist nicht rübergekommen, war beleidigend, ist ok, das akzeptiere ich.“
August 2021
Nur einen Monat nach dieser Aussage, sagte er über diesen Prozess:
„Ich finde auch immer noch nicht, dass ich irgendwas falsch gemacht habe.“
März 2023
Am 8. März 2023 erklärte KuchenTV in einem Video:
„Und da ich solche Witze heutzutage nicht mehr mache und das Ganze auch nicht gutheiße, heute würde ich mich davon auch distanzieren, oder ich distanziere mich hier auch einfach mal davon, hat das ja nichts damit zu tun, dass ich trotzdem finde, dass sowas zu sagen, keine Volksverhetzung ist.“
Juni 2023
Am 9. Juni 2023 verkündete KuchenTV amüsiert, der Vorwurf der Beleidigung gegen ihn müsse aufgrund eines Formfehlers fallengelassen werden. Einsicht in den Fehler der Beleidigung gegen die Schülerin war nicht mehr erkennbar. Zusammen mit den guten Chancen, die er sich für den Prozess vor dem Oberlandesgericht ausgerechnet hatte, sah er dies als Beleg dafür, „nichts falsch gemacht“ zu haben.
August 2023
In einem Interview mit dem Influencer Aaron Troschke antwortete KuchenTV am 25. August 2023 auf die Frage, ob er seine Aussage „Der ist gar nicht mal so schlecht“ bereue, mit der er den antisemitischen „Witz“ kommentiert hatte:
„Ja, also den Witz heutzutage finde ich auch geschmacklos und äh, find den jetzt auch schlecht und nicht mehr gar nicht mal so gut, aber ansonsten, ja ist halt so’n dahergelaufener Satz gewesen, ne. Also ist jetzt, finde ich, nichts wo ich jetzt sagen würde so, oah das, das ging jetzt aber viel zu weit, was ich da gemacht hab.“[sic!]
Auf die Frage, ob er dem 18-jährigen KuchenTV rückblickend raten würde, weiter in dieselbe Richtung zu gehen, antwortete KuchenTV im Widerspruch zu seiner kurz zuvor getätigten Aussage so:
„Hat ja geklappt, ne. Das ist halt immer die Frage, ne. Vielleicht war ja auch gut damals, so ein bisschen provokanter zu sein, mal aufgefallen zu sein, weil man sonst auch die Reichweite gar nicht aufgebaut hätte, ne. Vielleicht wären sonst einige Leute gar nicht auf einen gekommen.“[sic!]
Eine Statement mit Timing
Am 25. Oktober veröffentlichte KuchenTV ein Video, in dem er zu den beiden Strafverfahren wegen Volksverhetzung Stellung bezog.
Vorangegangen waren zwei Artikel überregionaler Medien, die KuchenTVs Cybermobbing Kampagne gegen die Influencerin Shurjoka und seine Strafverfahren wegen Volksverhetzung thematisierten. Kurz vor der Veröffentlichung seines Videos hatte KuchenTV die Monetarisierung seines Podcasts verloren. Kurz nachdem KuchenTV das Statement Video angekündigt hatte, kündigte der Versandhandel EMP vorzeitig eine wenige Tage zuvor begonnene, lukrative Werbepartnerschaft mit KuchenTV.
In diesem Video wiederholte KuchenTV die falsche Darstellung, er sei nur wegen der Bewertung „gar nicht mal so schlecht“ verurteilt worden. Dass er während dieser Aussage über den antisemitischen Witz lachte, den er bewertet hatte, erwähnte er in seinem Statement Video nicht.
KuchenTV sagte:
„Ich hab jetzt nicht gesagt, dass der gut ist, ich hab den aber auch nicht wirklich kritisiert, das muss man fairerweise dazu sagen.
Fact Check
KuchenTV hat nicht gesagt, dass der Witz gut ist, aber er hat mit seinem Lachen zum Ausdruck gebracht, dass er ihn gut fand.
KuchenTV räumte ein:
„Und ja, auch hier sehe in der moralischen Instanz ein absolutes Fehlverhalten von mir.“
„Hier hätte ich klare Kante zeigen müssen und sagen, ey solche Witze gehen halt einfach nicht fit, denn wie auch schon bei meinem ersten Fall, als ich selber sowas gepostet habe, geht es hier immer noch um die systematische Ermordung von Millionen unschuldigen Menschen. Ich sehe hier ganz klar ein, dass ich mit meiner Äußerung dieses Problem und diese ganze Dynamik dahinter halt einfach nicht ernst genommen habe. Und sowas einfach immer als Witz abzutun, ist meiner Meinung nach jetzt auch nicht das Richtige. Also hier schon klares Fehlverhalten von mir.“
Sein Fehlereingeständnis ließ KuchenTV nicht für sich stehen. Direkt nach dieser Aussage wies er darauf hin:
„Aber, man muss fairerweise dazu sagen: Auch das ist halt schon sieben Jahre her und seitdem habe ich sowas nicht mal mehr im Ansatz irgendwie gepostet oder gesagt oder reproduziert.“
KuchenTV bleibt dabei, dass seine für diesen Strafprozess gegenständlichen Aussagen von der „Kunstfreiheit“ gedeckt seien. Er behauptete, er wollte den Text zu dem Bild, das er als „gar nicht mal so schlecht“ bewertete, nicht darstellen, um diesen nicht zu „reproduzieren“.
KuchenTVs Darstellung, er habe derartige Inhalte nach den in diesem Strafverfahren behandelten Aussagen nicht mehr verbreitet, ist falsch, wie KuchenFiles in einem weiteren Artikel belegen wird. Auch KuchenTVs wiederkehrende „Witze“ über Terroranschläge ziehen seine Darstellung in Zweifel.
Conclusion
KuchenTV beschränkte sein Fehlereingeständnis auf eine „moralische“ Ebene. Der Zeitpunkt des Statements, die gezeigten Widersprüche seiner Aussagen und die falsche Darstellung, er hätte nach den für diesen Strafprozess gegenständlichen Aussagen keine ähnlichen Aussagen getätigt, begründen Zweifel an der Aufrichtigkeit der Aufarbeitung und des Fehlereingeständnisses von KuchenTV.
Er ließ wesentliche Merkmale seiner Tat unerwähnt und verharmloste sie dadurch. Seine Behauptung, er habe den Text über dem von ihm kommentierten Bild nicht genannt, um ihn nicht zu „reproduzieren“ wirkt zweifelhaft, da KuchenTV im Fall eines von ihm popularisierten rechtsextremen Memes und in vielen anderen Fällen diskriminierender Äußerungen keinen Anlass sieht, die „Reproduktion“ einzustellen, indem er Beiträge löscht.
Sein öffentliches Amüsement über einen antisemitischen „Witz“, in dem das Leid der jüdischen Opfer des Holocausts verspottet wurde, sah KuchenTV noch 2023 durch seinen eigenen finanziellen Erfolg als Influencer gerechtfertigt.
KuchenFiles konnte am Beispiel der ersten Verurteilung KuchenTVs wegen Volksverhetzung zeigen, dass er sich mehrmals widersprüchlich äußerte. Gegenüber Zeitonline machte KuchenTV 2024 Angaben, die im Widerspruch zu vorher von ihm getätigten Aussagen zu seinem Strafprozess stehen. Auch die Aussagen KuchenTVs aus seinem Statement Video vom 25. Oktober 2024 stehen im Widerspruch zu seinen Aussagen gegenüber Zeitonline. Es besteht der Verdacht, dass KuchenTV gegenüber der Redaktion von Zeitonline bewusst falsche Angaben gemacht hat, um sich selbst vorteilhaft darzustellen.
KuchenTV bleibt in seinem letzten Statement Video bei der falschen Darstellung des Inhalts des § 130 StGB gegenüber der Öffentlichkeit, um sich in ein besseres Licht zu rücken. Auch die Trennung von „moralischer“ und „rechtlicher“ Bewertung dient in der von KuchenTV vorgetragenen Form der Verharmlosung seiner Tat.
Die Hassinhalte, die sein Video gegen die damals 15-Jährige Schülerin noch enthielt, arbeitete KuchenTV in seinem Statement Video nicht auf. Eingeräumte Fehler versah er häufig mit einem „aber“, dem relativierende Aussagen folgten.
KuchenFiles bewertet die Glaubwürdigkeit des Statement Videos von KuchenTV als stark eingeschränkt und erkennt darin keine aufrichtige, vollständige Aufarbeitung seiner volksverhetzenden Aussagen und seines Hassvideos gegen Emilia S.
Das Statement Video wird von KuchenFiles als der Versuch KuchenTVs bewertet, sich unter dem zunehmenden öffentlichen Druck gegen seine Inhalte als geläutert darzustellen, um die Hürden für potenzielle Werbepartner zu senken.
„Witze“ über Genozid, Massenmord und Terrorismus gelten für KuchenTV auch sieben Jahre nach Beginn seines zweiten Strafverfahrens wegen Volksverhetzung als vertretbar. Die Verletzung der Menschenwürde der Opfer und ihrer Hinterbliebenen nimmt KuchenTV billigend in Kauf, um seine „Witze“ zu monetarisieren.
KuchenFiles wird über den Ausgang des Revisionsverfahrens berichten.