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Re: Der verbotene Ohrwurm und die rechtsradikale Resonanz

KuchenTV reagierte in seinem Livestream vom 5. August 2024 auf der Plattform Twitch und in seinem YouTube Video „Die KUCHENFILES, das ENDE meiner KARRIERE – Kuchen Talks #997″ vom 7. August 2024 auf die Inhalte des KuchenFiles Artikels „Der verbotene Ohrwurm und die rechtsradikale Resonanz“. Hierbei rechtfertigte er sein Vorgehen und kritisierte, dass KuchenFiles in diesem Artikel nicht zeigte, dass er sich von den in dem Artikel gezeigten Kommentaren distanziert habe.

Warum hat KuchenFiles diese Distanzierung bislang nicht gezeigt? Und was hat KuchenTV zu dem KuchenFiles Artikel gesagt? Das erklärt dieser Artikel.

Worum geht es?

Auf den Plattformen Instagram, Facebook und TikTok hatte KuchenTV am 10. November 2023 ein Video veröffentlicht, in dem er rechtsextreme Gesänge mit dem Text „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ zu dem Song  L’amour toujours von Gigi D’Agostino als „verbotenen Ohrwurm“ bezeichnete und in dem er darstellte, dass er sich „zusammenreißen“ müsse, diesen nicht mitzusingen. Dieses Instagram Reel brachte KuchenTV zustimmende Resonanz von rechten Instagram Nutzer*innen ein, die unter diesem Reel hunderte rechtsextreme Kommentare wie „Deutschland den Deutschen!“ oder „Ausländer raus!“ hinterließen, sich für die Abschiebung von Ausländern aussprachen und für die AfD warben.

Das Statement

Nachdem er auf der Plattform TikTok für dieses Video kritisiert wurde, löschte er es wenige Tage nach der Veröffentlichung und gab am 16. November 2023 eine Erklärung ab, die er nur auf TikTok veröffentlichte. Auf Instagram und auf Facebook löschte er das Video nicht und veröffentlichte dort auch keine Erklärung.

In der Erklärung sagt KuchenTV:

„Das Ganze war von mir natürlich nur als Joke gemeint. Was ich allerdings nicht bedacht habe, ist dass es tatsächlich sehr sehr viele rechte Spinner gibt, die sich jetzt aufgrund dieses Memes irgendwie bestärkt fühlen und sagen ‚Haha, so sympathisch‘ oder die auch so Dinge schreiben wie ‚Deutschland den Deutschen!“

„In dem Meme ging es nicht darum, euch jetzt irgendwie zu sagen: ‚Haha lol, macht das im Club, voll lustig.‘ Sondern für mich ging es darum, zu sagen: ‚Boah, das ist ja voll der Ohrwurm, haha, man darf das nicht mitsingen.‘, was wahrscheinlich auch schon von vielen kritisch gesehen werden kann, gar keine Frage, aber ich finde es saugefährlich, das dann wirklich zu reproduzieren und, egal ob Ironie oder nicht, sowas dann in die Kommentare zu schreiben.“

KuchenTV wies darauf hin, dass sich von Rassismus Betroffene „scheiße fühlen“ würden, wenn sie derartige Gesänge in der Öffentlichkeit erleben und sagte:

„Rassismus hat hier einfach überhaupt nichts zu suchen. Kein Schritt nach rechts. Lasst es bitte einfach! Und wenn ihr denkt: ‚Lol, KuchenTV ist einfach einer von uns, der ist ja voll rechts‘, dann verpisst euch bitte, keiner möchte euch hier haben, das ist nicht meine Meinung, das wollte ich auch nicht mit dem TikTok irgendwie sagen, dass ich das gut finde oder so, was da gebrüllt worden ist. Ich hoffe auf jeden Fall, dass die, falls es die Möglichkeit gibt, auch rechtlich belangt werden. Die Bilder von denen hat man ja gesehen. Und bleibt bitte weg mit euren Dreckskommentaren von meinem TikTok. Ich hab schon versucht, da Leute zu sperren, aber bei tausenden Kommentaren kann man das leider nicht machen. Wie gesagt, jeder Mensch, der hier respektvoll lebt, soll hier bleiben. Da ist mir die Nationalität, Herkunft, Religion scheißegal und ich hoffe, dass das für meine Zuschauer genauso zählt.“

Warum wurde das Statement von KuchenFiles nicht erwähnt?

Der Grund ist in den FAQ von KuchenFiles beschrieben:

„KuchenFiles wertet Aussagen als belastbare Distanzierungen, wenn diese unironisch und glaubhaft vorgetragen werden, sie nicht als Nonpology zu charakterisieren sind, diese ein Fehlereingeständnis enthalten, diese Konsequenzen, wie das Löschen der fraglichen Inhalte, nach sich ziehen und diese nicht im Widerspruch zu Aussagen stehen, die nach der Distanzierung getätigt werden.“

KuchenTV hat drei dieser Bedingungen nicht erfüllt:

1. „ein Fehlereingeständnis enthalten“

Sein Statement enthält kein Fehlereingeständnis. Die große positive Resonanz von Rechtsextremen, sah KuchenTV darin begründet, dass es „sehr viele rechte Spinner gibt“ jedoch nicht darin, dass er sich mit seinem Video an der unkritischen Popularisierung eines rechtsextremen Memes beteiligte. Er sagte über sein Video, dass es „wahrscheinlich auch schon von vielen kritisch gesehen werden kann“. Diese Feststellung ist kein Fehlereingeständnis. KuchenTV distanzierte sich nur von den Kommentaren unter seinem Video, nicht vom Inhalt des Videos. Einsicht in den Zusammenhang zwischen dem Inhalt seines Videos und dem was er damit reproduzierte, zeigte KuchenTV nicht. Für die nicht vorhandene Moderation rechtsextremer Kommentare übernahm er keine Verantwortung.

2. „das Löschen der fraglichen Inhalte“

KuchenTV hat sein Video nur auf seinem TikTok Kanal gelöscht. Auf Instagram ist das Video mit hunderten rechtsextremen Kommentaren noch verfügbar, auf Facebook ebenfalls.

3. „diese nicht im Widerspruch zu Aussagen stehen, die nach der Distanzierung getätigt werden“

KuchenTV hat das rechtsextreme Meme nach seinem Statement und vor der Veröffentlichung des KuchenFiles Artikels mindestens zwei Mal reproduziert. In einem Fall stellte er sich als Person dar, die sich nicht zurückhalten konnte „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ zu singen, als er mit seinem Sohn in einer Trampolinhalle war und dort das Lied L’amour toujours von Gigi D’Agostino über die Lautsprecher gespielt wurde. Auch dieses Reel stieß auf positive Resonanz bei rechtsextremen Instagram Nutzer*innen. KuchenTV hat mit seiner ersten Reproduktion des rechtsextremen Memes die Erfahrung gemacht, dass es große Mengen positiver Reaktionen von Rechtsextremen erzeugte. Er wiederholte die Reproduktion des Memes trotzdem.

Nach der Veröffentlichung des Artikels hat KuchenTV das Meme ein weiteres Mal reproduziert, indem er in seinem Livestream auf der Plattform Twitch zwei Mal „Shurjoka raus!“ zu der Melodie von L’amour toujours sang.

Die Menge der Statements des Influencers, die er als „Distanzierung“ bezeichnet und die diese Bezeichnung nur eingeschränkt oder nicht verdienen, ist groß. Über belastbare und glaubwürdige Distanzierungen wird KuchenFiles auch in der Zukunft berichten. Über Statements, welche die gezeigten Kriterien nicht erfüllen, wird auf KuchenFiles berichtet, wenn deren Widersprüchlichkeit und Unglaubwürdigkeit gezeigt werden soll.

Jokes & Meme Wars

Sein Video rechtfertigte KuchenTV häufig damit, dass es sich dabei um einen „Joke“ handle. Er bemüht sich darum, seine „Witze“ von jedem negativen Einfluss auf die Gesellschaft freizusprechen.

Sein „Witz“, den er auf dem rechtsextremen Meme aufbaute, ist jedoch kein humorvoller Angriff auf das rechtsextreme Meme selbst, sondern eine affirmative Version dieses Memes. Deshalb stieß das Meme auf so große positive Resonanz bei Rechtsextremen.

KuchenTVs Version des Memes setzt sich nicht kritisch mit den enthaltenen rechtsextremen Parolen auseinander oder greift diese an. Er reproduziert diese, auch ohne sie auszusprechen und reduziert Volksverhetzung auf einen lustigen, beliebigen Tabubruch.

Das Magzin Belltower News schrieb im Mai 2024 über das rechtsextreme Meme:

„Genau diese Verbreitung ist es auch, die dazu führt, dass offenbar überall in Deutschland inzwischen Menschen wissen, was ihrer Meinung nach zu tun ist, sobald die ersten Töne von Gigi D’Agostinos „L’amour toujours” zu hören sind. Dass sich mit einem 20 Jahre alten Partysong Rassismus auf Knopfdruck aktivieren lässt, ist die Popkultur gewordene Variante von Abschiebefantasien aus den Reihen von AfD und anderer Rechtsextremer. Ein metapolitischer Erfolg, der dort ansetzt, wo es, harmlos wirkt, im vorpolitischen Raum. Also fernab von Parlamenten, politischen Reden und Parteiprogrammen, sondern direkt in den Köpfen der Menschen. Denn genau darum geht es bei sogenannter Metapolitik, die spätestens seit 2015 integraler Bestandteil der extremen Rechten in Deutschland ist, raus aus den politischen Arenen, rein in die unmittelbare Lebenswelt der Menschen, also zum Beispiel auf TikTok.“

„Seitdem drehen diese Videos ihre Runden durch die Sozialen Netzwerke, allen voran TikTok, und entwickeln sich zum sogenannten Trend oder zur „Challenge” die immer öfter nachgeahmt wird. Rassismus als Meme. Dieser Trend funktioniert deshalb so gut, weil die eingängige Melodie für einen Ohrwurm sorgt, dem man sich kaum entziehen kann. Gerade Musik wird zur Verbreitung rechtsextremer Propaganda gerne benutzt, da diese harmlos daherkommt und eben auch unterbewusst nachwirkt. Mit solchen Trends wird Volksverhetzung als Spaß oder harmlose Provokation abgetan – und schafft es so, auch über die eigene Filterblase hinaus massive Verbreitung zu finden.“

Die extreme Rechte schrieb im April 2017 in ihrem Sprachrohr, der Zeitschrift Sezession, über die „metapolitische“ Funktion rechtsextremer Memes:

„Dazu gehört vor allem, Online-Verbalattacken des politischen Gegners nicht auszuweichen, sondern voll in sie hineinzulaufen und immer noch eins draufzulegen – eine an das Culture jamming der anarchistischen Gegenkultur angelehnte Taktik der Kommunikationsguerilla. So wird maximale Aufmerksamkeit sichergestellt und häufig das eine oder andere neue Mem »geboren«. Was in den USA den Memplex der Edginess, also ungefähr »Grenzwertigkeit«, bildet, ist ein Wille zur Kontroverse und Geschmacklosigkeit, der in der Bundesrepublik aufgrund geltender Strafgesetze größtenteils nicht replizierbar ist.“

„Es braucht nur den Willen, aus der altbekannten Lethargie und dem Jammern über schlechte Presse herauszukommen, um die vom politischen Gegner in die Welt gesetzten Schlagworte und Inhalte »umzudrehen«, emotional neu aufzuladen und zum eigenen Vorteil einzusetzen. Dazu braucht es wenig Zeitaufwand: Die wesentliche Funktion der sozialen Netzwerke des Web 2.0 ist das »(Mit-)Teilen«, und so reicht es vollkommen, ein neues Mem gut sichtbar zu plazieren und den Replikatoren ihren Lauf zu lassen. Kreative, ans Werk!“

Trotz vieler eigener reaktionärer Ansichten ist es denkbar, dass KuchenTV sich seiner Rolle als Nützling rechtsextremer „Meme Wars“ nicht bewusst ist.

„Alles was denen nicht passt“

In seinem YouTube Video „Die KUCHENFILES, das ENDE meiner KARRIERE – Kuchen Talks #997″ vom 7. August 2024 wirft KuchenTV der Redaktion von KuchenFiles „Framing“ vor. Er begründet dies mit der hauptsächlichen Auseinandersetzung des KuchenTV Artikels „Der verbotene Ohrwurm und die rechtsradikale Resonanz“ mit den vielen rechtsextremen Kommentaren unter seinem Video.

KuchenFiles kann nicht bewerten, ob KuchenTV der Zusammenhang zwischen seinem Video und der positiven Resonanz von Rechtsextremen nicht ersichtlich ist, oder ob er diesen zielgerichtet ausblendet. Daher hat KuchenFiles den Zusammenhang in diesem Artikel thematisiert.

Die fraglichen rechtsextremen Kommentare unter seinem Video stellte KuchenTV in einer Polemik verharmlosend unter die Bezeichnung „alles was denen nicht passt“. Das Wort „denen“ bezog er auf Menschen, die ihn kritisieren.

KuchenTV sieht sich selbst nicht in der Verantwortung, Kommentare zu moderieren oder Rechtsextremen durch Blockieren die Möglichkeit zur Volksverhetzung unter seinen Beiträgen zu nehmen. Er sagte:

„Ich bin aber nicht der Inhaber der Seite. Instagram hat dafür zu sorgen, dass solche Kommentare gesperrt werden, ganz einfach.“

„Die Medien haben das gepusht“

In seinem Livestream auf der Plattform Twitch reagierte KuchenTV am 5. August 2024 abweisend auf die Kritik an seinem „Ohrwurm“ Video. In seiner Reaction auf einen Livestream der Influencerin Shurjoka sagte er:

„Der Gag ist halt einfach Geschmackssache. Entweder man feiert halt so ’nen Humor oder nicht. Ich sag mal Shurjoka, als politisch extrem ungebildete Person würde ich da jetzt ehrlicherweise nicht zustimmen. Ich find’s jetzt nicht schlimm, darin solche Jokes zu machen. Ich hab’s nicht selber wiedergegeben. Es ist nun mal einfach so, dass das Lied halt ein bisschen im Kopf bleibt. Das konnten viele relaten und da jetzt dann wieder mehr draus zu machen als es eigentlich ist, ist halt absoluter Bullshit.“

Die Verantwortung für die Popularität des rechtsextremen Memes sieht KuchenTV nicht bei vorhandenen rechten Überzeugungen in Deutschland oder bei Menschen, wie KuchenTV selbst, die derartige Memes unkritisch reproduzieren. Er ist der Meinung:

„Wenn das nicht von den Medien und so weiter so hochgepusht worden wäre, dann gäb’s davon auch keine 500 Fälle in Deutschland. Bin ich mir ziemlich sicher. So, das ist halt einfach zum Meme geworden, weil das viele Leute nicht ernst nehmen. Und ich glaub auch nicht, dass einer, der dieses Lied hört dann plötzlich rechts ist oder die AfD wählt, oder sonst irgendwas. Das Reel wird nicht deine politische Meinung ändern.“

KuchenTV zeigt sich davon überzeugt, dass der Vorfall rechtsextremer Gesänge auf der Sylter Party nicht so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregte, weil dort Volksverhetzung als Partyspaß gefeiert wurde. Er unterstellte, die Medien hätten nicht deshalb so viel über das Thema berichtet, weil es ein großes öffentliches Interesse an diesem Vorfall gab. Mit der Aussage, die Medien hätten das Thema „gepuscht“, deutet KuchenTV an, es habe Kräfte gegeben, die über die Medien für eine übermäßig umfangreiche Berichterstattung gesorgt hätten. Aus welchem Motiv das Thema „gepusht“ worden sei, ließ KuchenTV offen.

Die Aussagen KuchenTVs, der sich im Juni 2024 selbst als „politisch ungebildet“ und als politisch uninteressiert beschrieb, legen nahe, dass diese Selbstbeschreibungen leider zutreffend sein könnten. So geht KuchenTV zum Beispiel davon aus, dass die Wirkung politischer Inhalte auf Social Media nur gegeben sei, wenn sich eine Person durch das Ansehen eines Instagram Reels sofort zu einer rechtsextremen Person verwandle.

Der Influencer erwägt nicht, dass Veränderungen politischer Überzeugungen zumeist sukzessiv vollzieht und durch ein komplexes Geflecht von Fakoren bestimmt ist, auf die auch Influencer*innen Einfluss haben.

Die Aussage, der Vorfall sei zu einem Meme geworden „weil das viele Leute nicht ernst nehmen“, irritierte KuchenTV nicht, während er sie formulierte. Er selbst trug dazu bei, dass ein rechtsextremes Meme als „Witz“ popularisiert wurde. Seine Version des rechtsextremen Memes erreichte 2,7 Millionen Aufrufe.